Hitzschlag beim Hund: Zu über 50 Prozent tödlich!

Ralph Rückert – Tierarzt

Studium an der Ludwig-Maximilian-Universität in München
Niedergelassen in Ulm seit 1989

Mitgliedschaften:
Fachgruppe Kleintierkrankheiten der Dt. Veterinärmedizinischen Gesellschaft
Deutsche Gesellschaft für Tier-Zahnheilkunde
Akademie für tierärztliche Fortbildung
Bundesverband praktizierender Tierärzte e.V. (Fachgruppe Kleintierpraxis)

Wie immer im April oder Mai wird es diese Tage nach einer längeren kühlen Periode übergangslos ziemlich warm werden. Damit wird es auch unweigerlich wieder zu Hitzeschäden bei Hunden kommen, meist natürlich deshalb, weil sie versehentlich oder in Verkennung der Risiken im Auto zurückgelassen werden.

Viele Hundebesitzer sind wahrscheinlich der Meinung, dass ein Hund, der einen Hitzschlag erlitten hat, nach der noch vor Ort durchgeführten notfallmäßigen Kühlung gerettet und aus dem Schneider wäre. Dem ist nicht so, denn das dicke Ende kommt leider mehr als häufig nach.

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift “kleintier.konkret” hat meine Kollegin Jenny McIntosh (Universitätsklinik Leipzig) einen Artikel zum Hitzschlag beim Hund veröffentlicht, der sich natürlich in Formulierung und Ausdrucksweise an Tiermediziner richtet. Ich hangel mich mal an diesem Artikel entlang und bringe die darin enthaltenen und für Hundehalter relevanten Informationen in eine auch für medizinische Laien gut verdauliche Form.

Wann reden wir von einem Hitzschlag? Kurz und bündig: Wenn eine Körpertemperatur von 41° C überschritten wird! Unglücklicherweise kann sich das aber bis zur Vorstellung in der Tierarztpraxis so stark verändern, dass dann sogar eine Hypothermie (Untertemperatur) festgestellt wird, was – wie wir später noch lesen werden – sogar einen ungünstigen prognostischen Hinweis für das Überleben des Patienten darstellt.

Man unterscheidet den klassischen Hitzschlag, der nur durch die Umgebungstemperaturen verursacht wird, und den anstrengungsinduzierten Hitzschlag durch körperliche Belastung bei gleichzeitig hohen Temperaturen und hoher Luftfeuchtigkeit. Meist wird mit einer Kombination beider Formen zu rechnen sein. Beispielsweise wird ein im sich erhitzenden Auto eingesperrter Hund eine Zeit lang verzweifelte Versuche unternehmen, sich aus seiner Lage zu befreien, was die Körpertemperatur noch weiter in die Höhe treibt.

Inwiefern spielt da die Luftfeuchtigkeit eine Rolle? Wenn die Außentemperatur unterhalb der Körpertemperatur liegt, kann der Organismus mehrere Mechanismen für die Wärmeabgabe nützen (Konduktion, Konvektion, Radiation und Verdunstung), steigt aber die Außentemperatur auf das Niveau der Körpertemperatur, funktioniert nur noch die Verdunstung über die Schleimhaut der Nasenmuscheln und durch Hecheln. Dann wird es eng, und das natürlich ganz besonders und buchstäblich bei den Hunderassen, die eine deutlich verringerte Nasenschleimhautoberfläche haben, also bei allen Plattnasen. Furchtbar eng wird es, wenn schwüle Hitze, also eine hohe Luftfeuchtigkeit herrscht, denn dann funktioniert auch der Verdunstungsmechanismus nicht mehr ordentlich.

Aus diesen Fakten geht klar hervor, warum speziell ein im Auto eingesperrter Hund so überraschend schnell Opfer eines Hitzschlags werden kann:

1. Am Körper des Hundes – z. B. zwischen den Vorderbeinen, an der Brust und in der Lendenregion – finden sich sogenannte “Thermische Fenster”, über die besonders viel Wärme abgegeben werden kann. Je nach Bewegungseinschränkung (Hundebox, etc.) und daraus resultierender Körperhaltung können diese Fenster zum Teil geschlossen sein.

2. In einem Auto kann der Hund keine kühlen Flächen (Steinböden, etc.) finden bzw. sich schaffen (Erdkuhle), die er für die Notkühlung nutzen könnte.

3. Die Temperatur im Innenraum steigt sehr schnell in Bereiche über 35° C, was dazu führt, dass nur noch Atmen und Hecheln für Abkühlung sorgen können.

4. Durch das anfänglich hohe Niveau an körperlicher Aktivität (Unruhe, Scharren und Kratzen) und das unablässige Hecheln steigt dann letztendlich auch die Luftfeuchtigkeit im Innenraum des Autos stark an, was die letzte Möglichkeit der Körpertemperaturregulation zunichte und das Unglück perfekt macht.

Kollegin McIntosh geht in ihrem Artikel auf die eigentlich erstaunliche Tatsache ein, dass der Säugetierorganismus sich an veränderte Außentemperaturen anpassen kann. Diese Akklimatisation dauert aber irgendwas zwischen 10 und 60 Tagen, was unter anderem erklärt, warum wir Hitzschläge vorwiegend im Frühling und Frühsommer zu sehen bekommen. Es ist also sehr wichtig, dass in der kühlen Jahreszeit problemlos mögliche körperliche Belastungen des Hundes nicht ohne Rücksicht auf Verluste durchgezogen werden, sobald die Außentemperaturen im Frühling nach oben schnellen. Das kann sonst ganz unvermutet ins Auge gehen.

Jetzt lassen Sie uns mal davon ausgehen, dass es irgendwie passiert ist: Sie haben den eigenen oder einen fremden Hund vor sich, der offensichtlich stark überhitzt ist oder gar einen Hitzschlag hat. Was tun? Sie müssen den Hund abkühlen, und zwar noch vor der Fahrt zum Tierarzt. Jenny McIntosh nennt das aktive Kühlung und empfiehlt die Verwendung kalten, aber nicht eiskalten Wassers. Der Hund sollte idealerweise mit fließendem Wasser bis auf die Haut durchnässt werden, was bei Tieren mit richtig dickem Fell gar nicht so einfach ist und große Wassermengen erfordert.

Die Abkühlung mittels Durchnässung kann durch einen der Verdunstung Vorschub leistenden Luftstrom weiter verstärkt werden. Bei der Fahrt zum Tierarzt sollten also entweder die Autofenster geöffnet oder die Klimaanlage auf volle Leistung gedreht werden. Nasse Tücher, in die der Hund eventuell gewickelt wird, behindern den Verdunstungseffekt und sind deshalb nicht sinnvoll.

Bei der Fahrt zum Tierarzt? Muss das sein? Ich habe den Hund doch schon erfolgreich abgekühlt! Lassen Sie es mich mal so ausdrücken: Nach der aktiven Kühlung eines Hundes mit Hitzeschaden nicht den Tierarzt aufzusuchen, kann unter Umständen gut gehen. Aber (großes Aber mit dickem Ausrufezeichen!): Retrospektive Studien zeigen, dass wegen Hitzschlags vorgestellte Hunde trotz tiermedizinischer Intervention zu über 50 Prozent sterben! Das Überleben des Hundes ist also nach der aktiven Notkühlung keineswegs in trockenen Tüchern.

Das ist mir die wichtigste Botschaft dieses Artikels: Suchen Sie mit einem hitzegeschädigten Hund auf jeden Fall unverzüglich tiermedizinische Hilfe!

Ein Hitzschlag richtet im Körper ein beträchtliches Chaos und unter Umständen irreparable Schäden an. Nur in einer Tierarztpraxis hat man die Chance, entsprechend zu reagieren. Beispielhaft seien ein paar Notmaßnahmen genannt: Weitere Kühlung bis auf eine Körpertemperatur von 39,5 Grad, eventuell großflächiges Scheren dick bepelzter Hunde, Massagen zur Förderung der peripheren Durchblutung, Infusionsbehandlung, Sauerstoffzufuhr, Ausgleich der oft vorliegenden Übersäuerung (metabolische Azidose), Verhinderung oder Behebung einer Hypoglykämie (Unterzuckerung) durch Glukose-Infusionen oder eines Hirnödems durch die Verabreichung von Mannitol, antibiotische Abdeckung, und so weiter und so fort.

Bezüglich der Prognose führt Kollegin McIntosh eine israelische Studie an, die sich eingehend mit den Risikofaktoren für das Überleben von Hitzschlagopfern beschäftig hat. Es werden genannt:

– Verzögerter Beginn der aktiven Kühlung bzw. verzögerte Vorstellung beim Tierarzt (mehr als 90 Minuten vergangen)

– Adipositas (Fettleibigkeit)

– Hypothermie (Untertemperatur) bei Vorstellung

– Verzögerte Gerinnungswerte und Entwicklung einer DIC (Disseminierte Intravasale Gerinnung)

– Akutes Nierenversagen

– Hochgradige Hypoglykämie (Unterzuckerung) unter 47 mg/dl

– Auftreten von Krampfanfällen

– Komatöser Zustand bei Vorstellung

Ziehen wir also (wieder zusammen mit Jenny McIntosh) unser Fazit:

1. Ein Auto, das bei von uns Menschen als angenehm und keineswegs heiß empfundenen 24° C in der Sonne abgestellt wird, kann für einen darin befindlichen Hund innerhalb einer Stunde zur Todesfalle werden. Ich verstehe es, wenn Ihnen diese Information banal vorkommt, denn ich empfinde das auch so, aber es passiert halt leider jedes Jahr mit schöner Regelmäßigkeit, dass Hunde oder gar Kinder auf diese grässliche Weise ums Leben kommen.

2. Selbst gut trainierte Hunde können – speziell im Frühling und Frühsommer – bei warmer Witterung und hoher Luftfeuchtigkeit ganz unerwartet einen anstrengungsinduzierten Hitzschlag erleiden, wenn die körperliche Aktivität nicht entsprechend angepasst wird.

3. Wir privaten Hundehalter können uns bezüglich der Spiel- und Sportaktivitäten unserer Vierbeiner ja gut und gerne ein Beispiel an den Regeln für die Profis nehmen: Die Einsatzzeiten von Schutz- und Rettungshunden sind entsprechend der Richtlinien der “Urban Search and Rescue Veterinary Group” (USAR) bei Temperaturen über 30 Grad auf 15 Minuten zu beschränken. Zwischen den Suchperioden sind ausreichend lange Pausen mit Zugang zu Wasser einzuhalten. Die Körpertemperatur sollte regelmäßig kontrolliert und die Hunde sollten vor dem Einsatz eventuell komplett durchnässt werden.

4. Brachycephale Hunde (Plattnasen) sollten in Bezug auf Wärmeexposition wie ein rohes Ei behandelt werden. Selbst ruhige Spaziergänge in der Mittagshitze können bei solchen Tieren dazu führen, dass es sie einfach umhaut.

Noch ein letzter Hinweis: Straßenbelag kann bei direkter Sonneneinstrahlung so heiß werden, dass es zu Verbrennungen an den Sohlenballen von Hunden kommt. Einfacher Test: Drücken Sie Ihren Handrücken fest auf den Straßenbelag. Wenn Sie dabei nicht in aller Ruhe bis Zehn zählen können, ist der Boden für Ihren Hund zu heiß! Selbst bei etwas niedrigeren Belagstemperaturen kann langes und zügiges Laufen in Kombination mit schweißfeuchten Ballen zum extrem schmerzhaften “Abledern” der Hornhaut führen. Ich entschuldige mich erneut für die Banalität der Info. Ich stehe da auch vor einem Rätsel, aber wir sehen nun mal leider jeden Sommer Hundepfoten mit Brandblasen.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr

Ralph Rückert