Eine Hundedame, die schwarz fährt, ein verunsicherter Meridian-Fahrgast und jede Menge Schriftverkehr über das „erhöhte Beförderungsentgelt“ für „Amy“– ein niedliches weißes Fellbündel.
Über die Frage, ob er als Schwerbehinderter seinen Hund kostenfrei mitnehmen darf, hat sich ein Fahrgast mit dem Bahnunternehmen Meridian einen kuriosen Streit geliefert. Der Fahrgast hatte Recht, das sei vorweg verraten. Aber man muss Paragraph 145 im Sozialgesetzbuch schon sehr genau lesen, um die unermessliche Weisheit der bundesdeutschen Sozialgesetzgebung in ihrer ganzen Dimension ergründen zu können.
Die Geschichte nahm seinen Anfang im Juni mit einer Fahrt von Friedrich S. aus Rimsting am Chiemsee. Er fuhr mit dem Meridian-Zug von Rosenheim nach München. S. ist Rentner, 80 Jahre alt, er hat einen Schwerbehindertenausweis, ist meist mit Rollator unterwegs und darf als Begleitperson seine Ehefrau kostenlos mitnehmen.
Aber auch seinen 10-jährigen White Westhighland Terrier namens Amy? Das wollte der Schaffner im Zug partout nicht einsehen. Er brummte dem Ehepaar S. bei einer Fahrkartenkontrolle ein erhöhtes Beförderungsentgelt auf. Beanstandungsgrund: „kein FA (Fahrausweis – d. Red.) für Haustier“, so steht es auf dem Gebührenbescheid. Fällige Strafe: 60 Euro. Da half kein Bitten und kein Flehen, da half auch nicht, dass das Ehepaar auf die Schwerbehinderung des Mannes hinwies. „Laut, respektlos und frech“ habe sich der Schaffner verhalten, klagte das Ehepaar – am Ende musste am Ostbahnhof sogar die Polizei zusteigen, um die erhitzten Gemüter zu beruhigen. Der Streit mündete in einen Beanstandungsvorgang mit ordentlicher 12-stelliger Vorfallnummer.
Der Fall ist nicht leicht zu klären: Zwar fahren nach dem Neunten Sozialgesetzbuch Schwerbehinderte grundsätzlich kostenfrei – die Fahrkarte wird den Verkehrsunternehmen vom Bund erstattet. Sie dürfen, auch das ist rechtens, eine Begleitperson kostenfrei mitnehmen. Über die Frage, ob aber zusätzlich auch der Hund mitfahren darf, wusste indes selbst der Sozialverband VdK auf Anhieb keine Antwort. Wahrscheinlich nur, wenn es ein Blinden-, Begleit- oder Assistenzhund ist, der die Tür öffnen oder gehörlosen Menschen ein Zeichen geben kann, hieß es.
Doch das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Antwort steckt in dem Verwaltungsvereinfachungsgesetz, genauer in zwei Änderungen von 2005 und 2009, die der VdK auf Anfrage unserer Redaktion recherchiert hat: Damals wurde geregelt, dass der Hund kein Begleithund sein muss. Begründung: Die Verkehrsunternehmen könnten das in der Praxis ohnehin nicht überprüfen. 2009 fiel auch noch der Passus, dass ein Schwerbehinderte seinen Hund nur dann kostenlos mitnehmen kann, wenn er ohne Begleitperson fährt.
Diese Neuerungen hat der Meridian-Schaffner offenbar nicht mitbekommen. „Wir werden unsere Mitarbeiter jetzt noch einmal schulen“, sagte eine Meridian-Sprecherin, die auch darauf hinwies, dass das Unternehmen seinem Fahrgast S. die Strafe „aus Kulanzgründen“ ohnehin erlassen habe. „Aus Kulanz“ deshalb, weil Fahrgast Schwarz in der Aufregung wohl einen kleine Fehler gemacht habe: Er hatte angegeben, dass der Hund seiner Ehefrau gehört. Der Hund einer Begleitperson aber darf nicht ohne Fahrkarte fahren, sagt die Meridian-Sprecherin.
Ohnehin hat Meridian – wie die meisten anderen Bahnunternehmen auch – Beförderungsbestimmungen für Tiere ersonnen. Für Hunde ist demnach eine Fahrkarte zum Kindertarif zu lösen – es sei denn, sie haben in einer normalen Transportbox Platz. Dann kostet’s nichts. Als Faustformel gilt, dass ein Hund nicht größer als eine Hauskatze sein darf.
Beim Fall von Amy wird’s knifflig: Sie ist sieben Kilo schwer und hat die Ausmaße 25 mal 50 Zentimeter, wie Friedrich S. nachgemessen hat. Ist das noch mit einer Katze vergleichbar? Nein, sagte der Schaffner. Seine messerscharfe Beobachtung: Der Hund sei doch keine Katze.
Quelle: ovb