Ralph Rückert – Tierarzt Studium an der Ludwig-Maximilian-Universität in München Mitgliedschaften: |
Ich habe über Tierkrankenversicherungen vor knapp drei Jahren schon mal einen Artikel geschrieben, in dem es in erster Linie darum ging, welche Tierbesitzer sich diesen Schutz gönnen sollten. Seitdem hat sich in unserer Branche so viel getan, dass es in meinen Augen Sinn macht, das Thema noch einmal zu vertiefen.
Im Prinzip hat sich der Personenkreis, der besser früher als später eine TKV abschließen sollte, drastisch erweitert, und das liegt in erster Linie daran, dass die Gebühren für hochklassige Tiermedizin und speziell die Notfallversorgung (wie von mir schon seit Jahren vorausgesagt) inzwischen stark anziehen. Es ist abzusehen, dass sich mittelfristig ein Preisniveau etablieren wird, wie wir es jetzt schon in anderen und mit Deutschland ansonsten gut vergleichbaren Ländern wie Großbritannien und Schweden sehen können, und das ist zwei- bis dreimal so hoch wie hierzulande!
So sehr ich diese Floskel hasse, aber es wird sich eine Schere öffnen, eine Schere zwischen Tierbesitzern mit hohem und eher niedrigem Einkommen. Genauer gesagt: Diese Schere hat sich schon geöffnet, wird aber in den nächsten Jahren noch deutlich weiter aufgehen. Die gut gestellten Besitzer bzw. die mit einem rigide auf die finanziellen Anforderungen der Hobby-Tierhaltung ausgerichteten Haushaltsmanagement werden sich weiterhin eine hochklassige Versorgung ihrer Tiere leisten können, während sich Tierhalter mit klar begrenzten Mitteln mehr und mehr abgehängt fühlen werden.
Sie werden sich mit Recht fragen, was denn da auf einmal läuft. Selbst ich als Insider bin mehr oder weniger baff, mit welcher Geschwindigkeit sich die tiermedizinische Landschaft nach Jahrzehnten der Stagnation plötzlich verändert. Für diese Entwicklung gibt es einen buchstäblichen Wust an Gründen, mit denen ich mich im nächsten Teil dieser vorwiegend wirtschaftlich geprägten Artikelserie beschäftigen werde. Jetzt aber erst mal zurück zu unserem heutigen Thema.
In meinem oben verlinkten ersten Artikel zu dem Thema habe ich den Personenkreis, der den Abschluss einer TKV ernsthaft in Betracht ziehen sollte, so definiert: “Wenn Sie nicht zu denen gehören, die im tiermedizinischen Notfall spontan über Beträge von 5000 Euro oder mehr verfügen können, …”. Das kann man ruhig noch so stehen lassen. Man muss nur damit rechnen, dass ein solcher – für viele von Ihnen sicher astronomisch hoch wirkender – Betrag heutzutage und in Zukunft sehr viel häufiger anfallen dürfte, speziell bei Notfällen in der Nacht oder am Wochenende. Durch den regional unterschiedlich schlimmen, aber im Prinzip bundesweiten Zusammenbruch der bisherigen Notdienst- und Klinikstrukturen wird tiermedizinische Notfallversorgung zu einem knappen Gut, und knappe Güter werden immer und grundsätzlich teurer.
Für viele kommt natürlich mein – hier allerdings nicht zum ersten Mal erteilter – Ratschlag insofern zu spät, als sie Haustiere besitzen, die in der zweiten Lebenshälfte stehen und deshalb nicht mehr von einer TKV aufgenommen werden. Ist das der Fall, kann ich nur dringend raten, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten ein möglichst dickes finanzielles Polster für Notfälle anzusparen.
Neben diesen Überlegungen gibt es einen weiteren Grund, warum ich es für wünschenswert halte, dass möglichst viele Tierbesitzer eine TKV abschließen. Bisher sind in Deutschland (und ganz im Gegensatz zu Skandinavien oder Großbritannien) sehr, sehr wenige Tiere krankenversichert. Für die Versicherungsgesellschaften ist Deutschland ein noch nicht mal annähernd gesättigter Zukunftsmarkt. Neue Kunden gibt es sozusagen an jeder Ecke zu gewinnen. Dieser Umstand ist in meinen Augen nicht zuletzt dafür verantwortlich, dass sich die Versicherungen gegenüber den Versicherungsnehmern mehr als unfair benehmen können, ohne ihr Geschäftsmodell zu gefährden. Von einer wie auch immer gearteten Verbrauchermacht kann in Deutschland bisher keine Rede sein, so dass es leider häufig zu schnellen, einseitigen Kündigungen kommt, sobald man nach den Maßstäben der jeweiligen Versicherungsgesellschaft zu häufige oder zu hohe Leistungsansprüche stellt. Je mehr der Markt aber gesättigt wird, je mehr Menschen eine Tierkrankenversicherung abgeschlossen haben, desto vorsichtiger werden die Versicherungen sich benehmen müssen und desto günstiger werden natürlich die Tarife werden.
Es wäre auf jeden Fall verkehrt, die unkündbare Sicherheit der gesetzlichen Krankenversicherung für Menschen auf den Bereich der TKV übertragen zu wollen. Deshalb auch mein Rat an die jetzigen und künftigen Inhaber einer TKV-Police: Organisiert Euch! Tauscht Eure Erfahrungen aus! Gründet entsprechende Facebook-Gruppen! Ich habe gerade mal schnell auf Facebook nach sowas gesucht, und ja, es gibt eine TKV-Gruppe. Aber die hat aktuell 56 Mitglieder. Es wird also keiner Versicherungsgesellschaft Kopfschmerzen machen, wenn sie dort für ihr Verhalten kritisiert wird. Aber das kann man ja mit der Zeit ändern.
Als Fazit zurück zum Titel des Artikels: Ja, tut es! Wenn Ihr das Gefühl habt oder gar sicher wisst, dass Ihr Beträge von mehreren Tausend Euro für die Versorgung eines schweren Notfalls bei Eurem Haustier nicht verkraften könnt, dann schließt eine TKV ab. Unbedingt! Und zwar zügig, solange Euer Tier noch jung und gesund ist. Wir sehen die Kostenentwicklung in der Tiermedizin als so stürmisch an, dass wir in unserer Praxis diesen Rat schon seit einiger Zeit jedem frischgebackenen Besitzer als Merkblatt schriftlich in die Hand drücken. Eine OP- und Unfallkosten-Versicherung wäre in meinen Augen das Mindeste. Aber Vorsicht: Es gibt auch schwere internistische Erkrankungen und Notfälle, die von so einer Police nicht abgedeckt werden. Dann kann es bei begrenzten finanziellen Mitteln schnell eng werden. Eine echte Vollversicherung gibt viel mehr Sicherheit, ist aber natürlich auch deutlich teurer. Unter uns Tiermedizinern gibt es allerdings das Argument, dass man sich, wenn schon die Beiträge für eine Vollversicherung die finanziellen Möglichkeiten sprengen, ganz allgemein die Frage stellen sollte, ob man sich das Hobby Tierhaltung wirklich leisten kann.
Und entscheidet Euch um Himmels willen bloß nicht für eine Versicherung mit einem irgendwie begrenzten Gebührensatz. Wie bekannt sein dürfte, können tiermedizinische Leistungen nach der Gebührenordnung für Tierärzte (GOT) je nach Lage des Falles irgendwo zwischen dem 1,0fachen und dem 3,0fachen Satz abgerechnet werden. Nur als schnelles Beispiel: Eine subkutane Injektion kann alles zwischen 5,77 Euro (1,0fach) und 17,31 Euro (3,0fach) kosten. Es gibt TKV-Verträge, die auf den 2,0fachen oder gar 1,0fachen Satz begrenzt sind. So eine Police ist im Prinzip eine Garantie dafür, dass man im Not- und Leistungsfall auf hohen Beträgen sitzen bleibt. Da die aktuell geltende GOT über Jahrzehnte nicht ausreichend an die allgemeine Preisentwicklung in Deutschland angepasst wurde, bewegen sich gute und personalstarke Praxen und Kliniken inzwischen selbst im normalen Sprechstundenbetrieb im Bereich des 2,0fachen Satzes. Bei Nacht und am Wochenende sehen viele Kolleginnen und Kollegen sogar den 3,0fachen Satz als unter Umständen nicht mehr ausreichend an. Solche Deckelungen sind also heutzutage von vornherein unsinnig.
Wie beim letzten Artikel wird auch dieses Mal die Frage aufkommen, ob ich eine Versicherungsgesellschaft empfehlen kann, aber das ist problematisch. Ich sehe ja nur die eine Seite, die des Tierarztes, und als solcher lege ich natürlich Wert darauf, dass meine Kunden von ihren Versicherungen möglichst unkompliziert ihr Geld bekommen. Unter diesem Aspekt bin ich mir mit vielen Kolleginnen und Kollegen (ganz subjektiv!) darüber einig, dass von den bekannten Massenanbietern die Agila am wenigsten und die Uelzener am häufigsten zu irgendwelchen Zicken neigt. Ich rate aber dringend dazu, sich bei der Wahl des passenden Vertrages und bezüglich des sicher meterlangen Kleingedruckten vom unabhängigen (!) Versicherungsmakler des Vertrauens beraten zu lassen.
Und noch ein allerletzter Punkt: Der Markt mit inzwischen Dutzenden von Vertrags- und Tarifmodellen ist auch für uns so unübersichtlich geworden, dass wir – wie auch im ersten Artikel schon erläutert – eine Direktabrechnung mit der jeweiligen TKV-Gesellschaft ablehnen. Wie bei einem Privatpatienten in der Humanmedizin stellen wir also unsere Gebühren dem Besitzer in Rechnung, und der kann dann seine Ansprüche gegenüber seiner Versicherung geltend machen. Stellt sich nämlich bei Direktabrechnung heraus, dass unsere Gebühren nicht in vollem Umfang übernommen werden oder eventuell gar kein Versicherungsschutz besteht, sind der Ärger und die Springerei vorprogrammiert.
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr