Ralph Rückert – Tierarzt Studium an der Ludwig-Maximilian-Universität in München Mitgliedschaften: |
Wenn es jetzt – wie üblich – für längere Zeiträume sehr warm und trocken wird, geht das jährliche Theater mit der Herbst(gras)milbe wieder los. Manche Hunde- und Katzenhalter werden sicher schon in “freudiger Erwartung” sein, denn für empfindliche Tiere ist das alles andere als spaßig.
Der Übeltäter: Neotrombicula autumnalis, die Herbst(gras)milbe, auch Erntemilbe genannt. Die erwachsene Milbe ist zwar Vegetarier, ihre Larvenform aber befällt Hunde, Katzen, Mäuse, einige andere Tierarten und auch den Menschen, bei dem sie das Krankheitsbild der Erntekrätze hervorruft.
Die Schadwirkung erstreckt sich dankenswerterweise nur auf lokale Hautreizungen mit sehr starkem Juckreiz. Irgendwelche Vektorkrankheiten, wie wir sie bei Zecken und Mücken fürchten müssen, spielen hier nach heutigem Kenntnisstand keine Rolle.
Bei Hund und Katze ist ein Befall oft an intensiv rostroten Pünktchen oder Flecken zu erkennen, bei denen es sich um die bis zu 0,3 mm großen Larven handelt. Meist kommt es darüber hinaus zu Sekundärläsionen der Haut durch Kratzen und Belecken, die sich durch bakterielle Infektionen noch verstärken können.
Die Milbenlarven sitzen meist auf der Spitze von trockenen Grashalmen, von wo sie sich vom vorbeilaufenden Wirtstier abstreifen lassen. Je ungemähter und höher das Gras, desto mehr Milbenlarven kommen darin vor. Bei jedem Laufen und Spielen sammeln Katzen und Hunde neue Larven ein, die sogleich mit ihrer Mahlzeit beginnen und dadurch wieder neu aufflammenden Juckreiz verursachen.
Manche Tiere und Menschen scheinen sehr unempfindlich auf Herbstmilbenlarven zu reagieren, während andere schon beim geringsten Befall unter massivem Juckreiz leiden. Nach unserer Erfahrung werden insgesamt die Tiere am heftigsten befallen, die die Milben im eigenen Garten haben. Wenn Ihr wissen wollt, ob sich in Eurem Garten Grasmilben tummeln, dann legt einen weißen Teller ins Gras. Wenn sich bald orange Punkte auf dem Teller zeigen, ist die Sache geklärt. Dann sollte möglichst häufig gemäht und der Grasschnitt außerhalb des Gartens entsorgt werden.
Beim Spaziergang kann allenfalls dadurch vorgesorgt werden, dass man die Hunde nur in nasses Gras lässt oder insgesamt von ungemähten Grasflächen fern hält. Hunde, die regelmäßig mit repellierenden Spot-Ons behandelt werden oder ein repellierendes Halsband tragen, werden meist nicht oder nur schwach befallen. Wirklich zuverlässig repellierend wirken nur die Pyrethroide Permethrin, Flumethrin und Deltamethrin. Unser Terrier Nogger wird regelmäßig mit einem Spot-On behandelt oder trägt ein solches Halsband und hatte noch nie das geringste Problem mit Neotrombicula. Natürlich können auch die üblichen Hausmittel versucht werden, denen eine repellierende Wirkung nachgesagt wird, z.B. Kokosfett, Ballistol, etc.. Sollte das nicht funktionieren, was ich für wahrscheinlich halte, hat es in diesem Fall keine schlimmen Folgen, weil ein Grasmilbenbefall eben nur lästig, aber nicht wirklich gefährlich ist.
Bei festgestelltem Befall können die Milbenlarven mit einem abtötenden Shampoo oder Spray beseitigt werden. Aber auch Duschen mit einem normalen Shampoo oder das Abspülen der gefährdeten Körperbereiche (Beine, Bauch, Unterseite des Halses) mit klarem Wasser direkt nach dem Spaziergang kann ausreichen, um viele eingesammelte Larven zu beseitigen. Wenn man die oben erwähnten orangeroten Stellen findet, kann man diese mit Öl betupfen. Dadurch werden die Atemöffnungen der Larven verstopft.
Bei manchen Tieren kann der Juckreiz so stark und quälend sein, dass er medikamentös gelindert werden muss. Dazu werden Kortikosteroide in niedriger Dosierung, Antihistaminika oder die neuen Janus-Kinase-Hemmer wie Oclacitinib (Apoquel) eingesetzt. Ebenfalls juckreizlindernd kann die Anwendung synthetischer Gerbsäuren (Tannosynt) sein.
Durch den bei jedem Spaziergang erfolgenden Neu-Befall kann man den frustrierenden Eindruck erhalten, dass nichts wirklich hilft, egal was man unternimmt. Ende Oktober, nach dem ersten morgendlichen Raureif, ist der Spuk dann mal wieder vorbei.
Und was ist jetzt mit den Bernsteinketten aus der Überschrift? Warmes und trockenes Wetter begünstigt die Herbstgrasmilben, ist aber gleichzeitig ungut für Zecken. Deshalb ist jetzt dann – meist ab Mitte Juli – der ideale Zeitpunkt, um Zeckenabwehrmethoden wie Bernsteinketten, Tick-Clips und EM-Keramik-Halsbänder mit gutem Erfolg zu testen. Im Hochsommer funktionieren diese Sachen alle ganz prima! 😉
An diesem Punkt war der Artikel gestern noch zu Ende. Durch die Kommentare auf Facebook ist aber ziemlich schnell deutlich geworden, dass so einige Leserinnen und Leser den ironischen Unterton des letzten Absatzes und das abschließende Zwinker-Smiley nicht richtig einordnen können. Deshalb zur Klarstellung: Bernsteinketten, Tick-Clips und EM-Keramik sind natürlich unwirksam gegen Zecken. Sie wirken nur speziell im Hochsommer vermeintlich gut, weil es da witterungsbedingt zu einer starken Reduktion der Zeckenangriffe kommt.
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr