Das mit freundlicher Erlaubnis verwendete Foto zeigt Charming Golden Quo Vadis Parker, kurz Parker (http://www.enthralling-golden.de/) , einmal im Normalzustand und einmal mit akutem Tetanus-Gesicht. Parker hat die Erkrankung seinerzeit überlebt und erfreut sich heute mit 13 Jahren immer noch einer guten Gesundheit.
Dieser Tage hat eine geschätzte Kollegin uns dankenswerterweise über Facebook an der Behandlung eines an Tetanus erkrankten Welpen teilhaben lassen. Dank der intensiven Bemühungen der Kollegin und ihres Teams hat es der junge Hund inzwischen wohl geschafft, diese sehr gefährliche Erkrankung zu überwinden. So eine erfolgreiche Behandlung ist aber nicht zuletzt davon abhängig, dass Hundebesitzer frühzeitig bemerken, dass da was ganz Böses im Busch ist. Deshalb hier mal eine Kurz-Info zum Tetanus (Wundstarrkrampf) beim Hund.
Jeder Hund hat in seinem Leben unzählige Banalverletzungen: Durch Glasscherben aufgeschnittene Ballen, ein- oder abgerissene Krallen, Zahnfleischwunden durch Nagen an Stöckchen, angeknackste oder abgebrochene Zähne und ähnliches. Insgesamt sehr selten, aber mit regional deutlich unterschiedlichem Risiko kann es dabei zu einer Infektion mit den Sporen des Bakteriums Clostridium tetani kommen. Diese sehr widerstandsfähigen Sporen können überall vorkommen, vor allem im Erdreich und im Straßenstaub, aber auch zum Beispiel in Hundekot. Herrschen in der Wunde, die als Infektionspforte dient, anaerobe (sauerstoffarme) Verhältnisse, kann sich das Bakterium dort vermehren und Toxine (Giftstoffe) produzieren, die dann zu den eigentlichen Symptomen der Erkrankung führen.
Die Wunden, die als Eintrittspforten dienen, können so klein und unauffällig sein, dass sie im Nachhinein manchmal nicht oder nur schwer identifizierbar sind. Der oben angesprochene Welpe zum Beispiel hatte sich nach Angaben der behandelnden Kollegin mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit über einen abgebrochenen Milch-Eckzahn infiziert. Selbst über die bei Parodontitis häufig vorhandenen Zahnfleischtaschen kann der Erreger in den Körper eindringen. In anderen Fällen ist aber doch noch eine schlecht heilende oder offensichtlich infizierte, eiternde Wunde vorhanden. In den Tagen oder sogar Wochen nach einer noch so kleinen Verletzung auftretende Symptome eines Tetanus müssen unbedingt möglichst schnell als solche erkannt werden, damit ohne Verzug mit einer Behandlung begonnen werden kann, denn selbst unter engagierter Therapie ist damit zu rechnen, dass mindestens ein Viertel der Patienten nicht überlebt.
Eine anfänglich – analog zu dem beim Menschen beschriebenen Verlauf – wohl auch beim Hund auftretende Einschränkung des Allgemeinbefindens mit grippeähnlichen Symptomen wird sicher in den meisten Fällen nicht erkannt oder als nicht weiter besorgniserregend eingestuft. Die je nach Lage der Infektionspforte entstehenden Muskelspasmen können von aufmerksamen Besitzern aber sehr wohl wahrgenommen werden. Steifer Gang und Verkrampfungen vor allem der Streckmuskulatur, die durch äußere Reize (Geräusche, Berührungen, etc.) verstärkt werden, müssen alle Alarmglocken läuten lassen. Wird die Gesichtsmuskulatur erfasst, was bei einer Infektion über die Mundhöhle auch gleich zu Anfang passieren kann, kommt es zum typischen Tetanus-Gesicht: Die Ohren sind permanent nach oben und innen gezogen. Dadurch zeigen sich eventuell auch deutliche Längsfalten der Kopfhaut zwischen den Ohren. Der Blick wirkt starr, das Augenweiß ist zu sehen und die Nickhäute (die dritten Augenlider) treten vor. Die Lefzen werden bei geöffneter Maulspalte nach hinten gezogen, so dass der Eindruck eines verkrampften Grinsens entsteht, das beim Menschen Risus sardonicus (Teufelsgrinsen) genannt wird. Wenn auch nicht alles immer gleichzeitig in der beschriebenen Form vorliegen muss, so ist doch der Gesichtsausdruck eines Tetanus-Patienten – wie Sie auf dem beigefügten Vergleichsfoto sehen können – sehr eindrücklich verändert.
Gleichzeitig treten durch Spasmen auch der Kehlkopf- und Halsmuskulatur zunehmende Probleme mit der Futter- und Wasseraufnahme auf. Tetanus-Patienten müssen deshalb häufig über längere Zeiträume per Infusion und Magensondenernährung über Wasser gehalten werden. Sowohl Harn- als auch Kotabsatz können ebenfalls große Probleme machen.
Bezüglich der Behandlung will ich nicht viele Worte verlieren, da dies nicht das Thema dieser Kurz-Info sein soll. Es geht mir nur darum, ein Bewusstsein für die auftretenden Symptome zu schaffen, damit – wenn es mit dem Teufel zugehen sollte – Ihr Hund schnellstmöglich tiermedizinische Hilfe bekommt. Aber nochmal zur Klarstellung: Insgesamt und ohne Berücksichtigung regionaler Unterschiede ist die Krankheit beim Hund extrem selten! Es ist die Rede von einem Risiko von 1:1000000. Ob das wirklich so stimmt, kann aufgrund fehlender statistischer Daten nicht belegt werden. Der Hund ist in Bezug auf Tetanus auf jeden Fall um ein Vielfaches unempfindlicher als Mensch und Pferd, die beide – im Gegensatz zum Hund – besser gegen Tetanus geimpft sein sollten. Die Ständige Impfkommision (Stiko Vet) empfiehlt die Tetanus-Impfung für den Hund ausdrücklich NICHT.
Wenn es Ihren Hund je erwischen sollte, dann müssen Sie sich auf eine richtig harte Zeit einstellen. Irgendwo im Netz habe ich die Formulierung “Einmal Hölle und zurück” gelesen, was ich so unterschreiben würde. Wenn auch oft nach spätestens 14 Tagen klar wird, ob der Patient überleben wird, so kann sich die Behandlung trotzdem über mehrere Wochen ziehen, während derer noch die ganze Zeit Komplikationsrisiken lauern.
Zwei Erfahrungsberichte von Besitzern, deren Hunde an Tetanus erkrankt sind:
http://www.enthralling-golden.de/html/tetanus.html
Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert
© Kleintierpraxis Ralph Rückert, Bei den Quellen 16, 89077 Ulm / Söflingen